Pflegebedarf im Rhein-Kreis Neuss nimmt zu
Die Neuss-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) berichtete in ihrer Ausgabe vom 09.01.2025 zum Pflegebedarf im Rhein-Kreis Neuss (Text unten angefügt). Zur Vorbereitung dieses Berichts habe ich der Autorin, Frau Julia Stratmann, umfängliche Informationen übermittelt. Diese wurden bei dem Bericht teilweise übernommen. Allerdings musste die Zeitungsdarstellung wohl verschiedene Aussagen berücksichtigen, so dass die von hier gegebenen Hinweise nur eingeschränkt die gebotenen Handlungsanforderungen aufzeigen können.
U.a. wurde der Autorin am 02.01.2025 mitgeteilt:
Ich beobachte seit einiger Zeit die rapide steigende Zahl der Pflegebedürftigen mit großer Sorge. Eine Steigerung hatte ich erwartet, weil es hier vor Jahren einen Pflegetreff gab, bei dem die neuen Pflegegrade vorgestellt und als notwendige Fortentwicklung vorgestellt wurden. Ich hatte damals eine etwas andere Meinung, habe ich aber mit deutlicher Kritik zurückgehalten. Es war nämlich immer meine Auffassung, dass wir allen Menschen mit Pflegebedürftigkeit angemessen gerecht werden müssen, aber die schwerer betroffenen Menschen stärker unterstützt werden müssen. Die damals neu gefassten Einstufungskriterien – Pflegegrade statt Pflegestufen – kamen mir nicht ausgewogen genug vor. Der Kreis der begünstigten Menschen wurde erheblich ausgeweitet.
Nun wissen wir anhand von zahlreichen Veröffentlichungen, dass sich v.a. die damals veränderten Einstufungsvorgaben so ausgewirkt haben, dass zur Zeit von einer explosionsartigen Ausweitung der Zahl der pflegebedürftigen Menschen gesprochen werden kann. Viele Politiker äußern sich überrascht (eigentlich ein Zeichen dafür, dass sie von der bundesdeutschen Pflegelandschaft keine oder wenig Ahnung haben).
Wie es scheint, gibt es Gründe, die Einstufungskriterien zu korrigieren. Denn sonst wird der Kreis der Menschen mit einem amtlich festgestellten Pflegebedarf so stark ansteigen, dass das alles nicht mehr finanzierbar ist. Schon jetzt sind die Pflegekosten und Pflegebeiträge so sehr angestiegen, dass kaum noch jemand dem Finanzaufwand gerecht werden kann. Weitere Kosten- und Beitragssteigerungen sind schon abzusehen. Der Pflegefachkräftemangel kommt hinzu. Dazu könnte auch eine Menge gesagt werden.
Um Ihnen schnell Informationen an die Hand zu geben, verweise ich auf Texte im hiesigen Forum:
- Pflege-Report 2024: Erhebliche regionale Varianz bei der Entwicklung von Pflegebedürftigkeit in Deutschland … > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1273
- 5,7 Millionen Pflegebedürftige zum Jahresende 2023 … > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1281 / > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1259
Unter den genannten Adressen finden Sie weitere Hinweise, u.a. auch eine Verweisung auf Ausführungen von Prof. Stefan Sell, Sozialpolitiker (vor Jahren Podiumsgast beim hiesigen Pflegetreff).
Eine Lösung der Situation könnte sein, das derzeitige Pflegesystem (ohne Veränderungen) mit erheblichen Steuermitteln zu stützen. Insoweit sehe ich aber keine Chance, dies politisch umzusetzen. Es gibt zahlreiche andere „Baustellen“, die sicherlich vorrangig zu bedienen sind. So kann das soziale Netz nur Bestand haben, wenn die ‚Wirtschaft wieder in Schwung kommt. Insoweit habe ich erst gestern einen längeren Brief an die CDU geschrieben (sie wird ja voraussichtlich den nächsten Kanzler stellen).
Die beste Lösung wäre, wenn die Politik / die Gesellschaft auf das Thema „Gesundheitsbewahrung geht vor Krankheitsbewältigung“ setzen würde. Wer Krankheiten hinauszögert, kann auch die Pflegebedürftigkeit verhindern oder schieben. Ein gesunder Lebensstil ist dringend angeraten!
Siehe insoweit u.a. > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1237 / > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1278 / > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=5&t=1252 / > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... 91&p=12472
Im Übrigen muss die häusliche Versorgung der alten bzw. pflegebedürftigen Menschen gestärkt werden (das verhindert Heimaufenthalte und minimiert Kosten). Die Boomer werden über die beschriebene Situation hinaus weitere Kosten verursachen, die umfassende Reformschritte erfordern (auch in der Rentenpolitik). - Siehe u.a.… > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1235
Seit über 10 Jahren bin ich im Rhein-Kreis Neuss bemüht, die Unterstützung der Menschen durch Quiartiershilfen vor Ort einzufordern, und zwar flächendeckend. Man weiß eigentlich, dass dies alternativlos notwendig ist, kommt aber den Anforderungen bislang nicht nach. Siehe dazu u.a. > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... 19&p=14123
In einer Vorbemerkung zum Zeitungsbericht hat Frau Julia Stratmann treffend ausgeführt: "Die Zahl der Pflegebedürftigen im Rhein-Kreis Neuss steigt rasant, wie ein neuer Report der AOK deutlich macht. Doch der Fachkräftemangel bringt die Versorgung schon jetzt an ihre Grenzen." Es wird folgerichtig die Frage gestellt: "Wie gut ist der Kreis angesichts dieser Anforderungen gewappnet?
Die von Pro Pflege - Selbsthilfenetzwerk bereits vor über 10 Jahren formulierte Botschaft verdeutlicht eine der wichtigsten Handlungsanforderungen auf den Punkt:
Bereits am 29.11.2017 wurde unter Leitung von Ludger Baten, Neuss-Grevenbroicher Zeitung, über den Pflegebedarf im Rhein-Kreis Neuss ausführlich diskutiert. Der damals bereits gegebene Pflegenotstand war die Diskussionsgrundlage. Es wurden die Handlungsanforderungen, u.a. die Notwendigkeit der Gestaltung von Quartierskonzepten, aufgezeigt, auch von Pro Pflege – Selbsthilfenetzwerk. Siehe insoweit > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1155
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Bericht der Neuss-Grevenbroicher Zeitung (NGZ) vom 09.01.2025:
Pflegebedarf im Rhein-Kreis Neuss
Die Zahl der Pflegebedürftigen im Rhein-Kreis Neuss steigt rasant, wie ein neuer Report der AOK deutlich macht. Doch der Fachkräftemangel bringt die Versorgung schon jetzt an ihre Grenzen. Wie gut ist der Kreis angesichts dieser Anforderungen gewappnet?
Von Julia Stratmann
(Rhein Kreis) - Es komme immer öfter vor, dass Anfragen nach einem Platz im Elise-Alverdieck-Haus abgelehnt werden müssen. „Man merkt, dass die Zahl der Pflegebedürftigen steigt“, sagt Anna Gasch, Pflegedienstleiterin in dem Neusser Seniorenheim, mit Blick auf die lange Warteliste. Und damit ist die Einrichtung der Diakonie Rhein-Kreis Neuss nicht allein. Die Pflegebedürftigkeit in Nordrhein-Westfalen nimmt stark zu – und zwar stärker als erwartet. Das geht aus dem neuen Pflege-Report der AOK Rheinland/Hamburg hervor. Demnach hat sich die Pflegeprävalenz im Rheinland in den vergangenen Jahren mehr als verdoppelt: Hatten im Jahr 2017 noch 4 Prozent der gesetzlich Versicherten in der Region Nordrhein einen Pflegegrad, waren es im Jahr 2023 bereits rund 8,3 Prozent.
Im Rhein-Kreis Neuss beobachtet die Gesundheitskasse eine ähnliche Entwicklung. In dem selben Zeitraum ist der Anteil der Pflegebedürftigen in der Region von 4,1 Prozent auf 7,8 Prozent gestiegen – ein Plus von rund 90 Prozent. „Die Zahlen des AOK-Pflegereports zeigen, wie heterogen das Thema Pflege in Deutschland und auch im Rheinland ist“, sagt Marion Schröder, Regionaldirektorin bei der AOK Rheinland/Hamburg für den Niederrhein. Für eine passgenaue Planung der Pflegeinfrastruktur vor Ort müssten verschiedene Aspekte und Entwicklungen berücksichtigt werden – allein die demografischen Zahlen reichen Schröder zufolge nicht aus.
Der Pflege- und Gesundheitsexperte Werner Schell aus Neuss geht sogar noch weiter. Angesichts der fehlenden Pflegekräfte und steigenden Beitrags- sowie Pflegekosten, die das Problem der alternden Gesellschaft zusätzlich verschärfen, spricht er von einer drohenden „Pflegekatastrophe“. Auch der Rhein-Kreis Neuss, dem die Pflegeplanung und Heimaufsicht obliegt, sieht in dem Fachkräftemangel ein signifikantes Problem. Obwohl aktuell noch ausreichende Kapazitäten, insbesondere im Bereich der vollstationären Pflege, zur Verfügung stünden, könnten es mit ausreichend Personal noch mehr sein. „Würden in den Einrichtungen im Kreisgebiet ausreichend Pflegekräfte zur Verfügung stehen, so könnten ad hoc 240 Betten belegt und pflegebedürftigen Personen angeboten werden“, so Sprecher Andreas Buchbauer.
Doch wie reagiert der Kreis auf diese Zahlen? Wie kann die wachsende Zahl der Pflegebedürftigen langfristig bewältigt werden? Mit diesen Fragen beschäftigt sich der Kreis regelmäßig im Rahmen der Pflegebedarfsplanung. In der jüngst beschlossenen Fassung für 2025 sind einige Schwerpunkte festgehalten, welche die pflegerischen Versorgungsstrukturen sichern sollen: darunter die Weiterentwicklung der Pflegeinfrastruktur, Quartierentwicklung oder das „Zukunftsprogramm Pflegeberufe“ für die Gewinnung von Fachkräften.
Das reicht nach Auffassung von Schell jedoch nicht. „Die beste Lösung wäre, wenn die Politik und Gesellschaft auf das Thema ‚Gesundheitsbewahrung geht vor Krankheitsbewältigung‘ setzen würde.“ Denn wer Krankheiten hinauszögere, könne auch die Pflegebedürftigkeit verhindern oder zumindest aufschieben. Deshalb fordert er, die ambulante pflegerische Versorgung durch Netzwerke – wie Quartierskonzepte mit präventiven Hausbesuchen – zu unterstützen und die Bürger und Bürgerinnen vermehrt über die Führung eines gesunden Lebensstils zu informieren. Darüber hinaus braucht es laut Schell eine bessere häusliche Versorgung von Senioren und pflegebedürftigen Menschen, um Heimaufenthalte zu verhindern und dadurch Kosten zu sparen.
An diesem Punkt setzt auch die Caritas an. Schon heute verzeichnet der Verband im Rhein-Kreis eine durchschnittliche Auslastung von über 98 Prozent in der stationären Pflege. Die Folge: „Sowohl in der stationären als auch in der ambulanten Pflege können nicht alle Anfragen bedient werden“, wie Benedict Meier, zuständig für den Bereich Senioren und Pflege, berichtet. Und angesichts der demografischen Entwicklung rechnet er mit einer weiter steigenden Nachfrage nach professioneller Pflege und Unterstützung.
Um diesem Bedarf – trotz Fachkräftemangels – gerecht zu werden, arbeiten sie schon jetzt an zwei Themen: Zum einen wollen sie Angeboten für pflegende Angehörige stärken. Dazu zählen unter anderem die Weiterentwicklung und der Ausbau ambulanter Pflegedienste sowie die Gründung mehrere Tagespflegeeinrichtungen innerhalb der letzten Jahre. Andererseits will der Verband mehr Ehrenamtliche für die Aufgaben gewinnen und qualifizieren – zum Beispiel im Rahmen bestehender Quartiersprojekte. „Wir sehen hier eine entscheidende Ressource für die Stabilisierung informeller Pflege-Settings und der Vermeidung professioneller Pflege-Settings“, so Meier.
Auch Gasch blickt besorgt in die Zukunft. Denn auch wenn sie aktuell genug Personal im Elise-Alverdieck-Haus hätten, sei der Fachkräftemangel eins der drängendsten Probleme. „Wenn sich nichts ändert, wird es zum Aufnahmestopp kommen“, sagt sie voraus.
Steigende Pflegebedürftigkeit
Anstieg - Landesweit wurde im Jahr 2023 mit 11,3 Prozent in Viersen die höchste Pflegeprävalenz festgestellt, gefolgt von Heinsberg mit 10,5 Prozent, Düren mit 9,9 Prozent und Euskirchen mit 9,8 Prozent. Besonders groß sind die zwischen 2017 und 2023 gestiegenen Anteile von Pflegebedürftigen in Köln und Leverkusen (jeweils 144 Prozent), aber auch in Mönchengladbach (124 Prozent) und Krefeld (121 Prozent).
Daten - Grundlage der Auswertung sind anonymisierte Daten von AOK-Versicherten, die standardisiert wurden.
'Quelle: NGZ > https://rp-online.de/info/consent/
Weitere Hinweise folgen ggfs. unter folgender Adresse: > https://www.wernerschell.de/forum/2/vie ... f=4&t=1293
Pflegebedarf im Rhein-Kreis Neuss nimmt zu
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